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Als behördenverbindliche Planungsgrundlage im Sinne von § 2 WBSNG wird festgelegt:

1 Wasserbauliche und wasserrechtliche Massnahmen an der Thur haben sich nach den Vorgaben dieses Konzepts zu richten.

Erläuterung: 

Das Konzept Thur+ bildet die Grundlage für künftige wasserbauliche Massnahmen an der Thur. Die kommenden Korrektionsprojekte (§§ 12ff WBSNG) werden nach dem Erlass des Konzepts Thur+ unter frühzeitiger Mitwirkung der Betroffenen etappenweise ausgearbeitet.

Die wasserbaulichen Massnahmen umfassen insbesondere:

  • die Sanierung und Erneuerung von Dämmen
  • den Neubau von Dämmen
  • den Rückbau von Dämmen
  • den mechanischen Abtrag von Vorlandflächen
  • das Ausbilden von «Rinnen» im Vorlandbereich zur Initialisierung der Seitenerosion
  • das Erstellen von Verbauungen zur Sicherung von Schutzbauten, bei Grundwasserschutzzonen, bei Brücken, bei Wehranlagen, bei Werkleitungen und sonstigen Infrastrukturanlagen

Die wasserrechtlichen Massnahmen umfassen insbesondere:

  • allfällige Verlegung von Werkleitungen
  • allfällige Neuerstellung/Anpassung bestehender Brücken und Wehranlagen
  • Anlagen zur Energiegewinnung

2 Der behördenverbindliche Raumbedarf für die Thur ist im Plan «Behördenverbindlicher Raumbedarf 1: 15’000» festgelegt.

Erläuterung:

Das Konzept Thur+ sieht für die Festlegung des Gewässerraums ein Vorgehen in vier Phasen vor. Im Rahmen des Konzepts Thur+ wird nur der behördenverbindliche Raumbedarf ausgeschieden. Dieser umfasst den Abflusskorridor der Thur, die Dämme, die Binnenkanäle sowie Flächen mit ökologischem Potenzial. In Abschnitten ohne Dämme definiert sich der behördenverbindliche Raumbedarf durch die Fläche, welche rechnerisch bei einem HQ100 benetzt wird (HQ100-See) oder durch Flächen mit ökologischem Potenzial. Übergeordnet wird in jedem Fall der voraussichtliche minimale grundeigentümerverbindliche Gewässerraum eingehalten.

3 Das Schutzsystem ist so auszubilden, dass das hundertjährliche Hochwasser (Dimensionierungswassermenge HQ100 plus Freibord) innerhalb der Dämme der Thur schadlos abgeleitet wird.

Erläuterung:

Das Schutzsystem muss so ausgebildet sein, dass ein Hochwasser, das statis- tisch gesehen alle 100 Jahre eintrifft, innerhalb der Dämme abgeleitet werden kann. Die Stabilität der Schutzdämme muss dabei auf jeden Fall gewährleistet sein. Wird das vorliegende Konzept Thur+ vollständig umgesetzt, können künftige Jahrhunderthochwasser (HQ100) zwischen den Dämmen abfliessen, ohne Schäden ausserhalb der Dämme im Thurtal zu verursachen. Ausgenommen von diesem Schutz sind nur wenige eng begrenzte Räume mit geringem Schadenpotenzial (Bereiche bei Pfyn, Altikon und Niederneunforn, wo Binnenkanäle in die Thur münden, sowie kleinere Ausuferungen in der Innenkurve bei Bischofszell).

4 Es wird als Restrisiko in Kauf genommen, dass die Dämme bei einem Hochwasserereignis (ab 1.5 x HQ100) stellenweise überströmt werden.

Erläuterung:

Bei einem Abfluss von rund 1.5 x HQ100 ist die Thur bordvoll, das heisst, der rechnerische Wasserspiegel hat die Höhe der Dämme erreicht. Wasser schwappt über die Dämme, ohne dass grössere Schäden entstehen. Die Binnenkanäle sind mehr eingestaut und der Retentionssee bei der Frauenfelder «Allmend» ist angewachsen, ohne Schäden zu verursachen. 

Für den Überlastfall wurde ein Ereignis von 1.8 x HQ100 angenommen, um die Auswirkungen aufzeigen zu können. Dieses Hochwasser entspricht einem Ereignis, welches alle 5’000–10’000 Jahre auftreten kann. Im Überlastfall können die Dämme stellenweise überströmt werden. Das System hat auf praktisch der gesamten Länge seine Kapazitätsgrenze erreicht. In diesem Fall wird ein Überströmen über das Dammsystem hinaus aus einer Gesamtabwägung als vertretbares Restrisiko akzeptiert. Durch das Überströmen der Dämme werden die flussabwärts liegenden Abschnitte der Thur weniger belastet und die Hochwasserwelle gedämpft. 

5 Die Umsetzung des Konzepts Thur+ gewährleistet eine Verlangsamung der Sohlenerosion sowie das Erreichen eines Gleichgewichtszustandes zur Sicherung der Grundwasservorkommen.

Erläuterung:

Die Sohlenerosion muss verlangsamt werden, um das Grundwasservorkommen, die Brückenfundamente und – wo notwendig – die erforderlichen Uferverbauungen zu sichern. Ebenfalls ist an der Thurgauer Thur ein Gleichgewichtszustand in Bezug auf Erosion und Auflandung anzustreben, um dadurch die Sohlenlage zu stabilisieren und den Geschiebetransport nach unten zu ermöglichen.

6 Die Wasserkraftnutzung an der Thur bleibt mindestens an den bisherigen Orten möglich.

Erläuterung:

Die bestehenden Wasserkraftnutzungen wurden bei der Ausarbeitung des Konzeptes Thur+ berücksichtigt. Aufgrund der topografischen Verhältnisse ist das Ausbaupotenzial der bestehenden Wasserkraft beschränkt. Einem massvollen Neubau von Anlagen an der Thur sind aufgrund des zur Verfügung stehenden Wasserdargebotes und der topografischen Verhältnisse Grenzen gesetzt. Die bestehenden Kraftwerksanlagen können auch mit dem vorliegenden Konzept weiterhin betrieben und optimiert werden (Erneuerung der bestehenden Anlagen).

7 An geeigneten Stellen können Wasserentnahmestellen für die landwirtschaftliche Bewässerung geschaffen werden.

Erläuterung:

An geeigneten Stellen sollen zur Sicherstellung des Bewässerungsbedarfs für die Landwirtschaft neue Wasserentnahmestellen und Verteilleitungen geschaffen und erstellt werden, damit die landwirtschaftlichen Kulturen ausserhalb der Dämme während der zukünftigen Trockenperioden mit Wasser versorgt werden können.

8 Die Umsetzung des Konzepts Thur+ gewährleistet eine kontrollierte dynamische Entwicklung des Flussbetts zwischen den bestehenden Dämmen.

Erläuterung:

Im aufgeweiteten Mittelgerinne zwischen den bestehenden Dämmen wird weit- gehend auf Ufersicherungen verzichtet. Es entsteht ein dynamischer Gewässerraum, in dem Auflandungen und Seitenerosion erwünscht sind und dadurch die Sohlenlage längerfristig stabilisiert wird. Damit kann auch im Hinblick auf die Lebensräume eine bedeutende Aufwertung für die Flora und Fauna erreicht werden. Zudem entsteht eine Vielzahl auentypischer Habitate (Weich- und Hart holzauen), womit vielerorts selten gewordene Pflanzen- und Tierarten gefördert werden.

9 Für die Einhaltung der gewünschten dynamischen Entwicklung des Flussbetts werden im Rahmen der Korrektionsprojekte Beobachtungs- und Interventionslinien in Anlehnung an den Plan «Hinweiskarte Beobachtungs- und Interventionslinien 1: 15’000» festgelegt.

Erläuterung:

Alle schutzwürdigen Bereiche (wie z. B. Dämme, Werkleitungen, Brücken und Schutzzonen bei Grundwasserfassungen) werden durch entsprechende bauliche Sicherungsmassnahmen geschützt. Der eigendynamischen Entwicklung der Thur werden mit den sogenannten Interventionslinien Grenzen gesetzt. Bis zu diesen Linien darf sich die Thur dynamisch entwickeln. Vor der eigentlichen Interventionslinie wird eine Beobachtungslinie festgelegt.

Beobachtungslinie: Bis zu dieser Linie wird die Dynamik der Thur zugelassen. Sobald diese Linie erreicht ist, wird über die Weiterentwicklung der Dynamik bzw. über wasserbauliche Massnahmen entschieden.

Interventionslinie: Diese Linie wird gehalten, d. h. die Dynamik der Thur wird mit wasserbaulichen Massnahmen unterbunden (z. B. mit Buhnen, Längsverbauungen, ingenieurbiologischen Massnahmen etc.).

10 Die Umsetzung des Konzepts Thur+ gewährleistet eine Verbesserung der Biodiversität im Gesamtsystem Thur.

Erläuterung:

Die Thur soll ein naturnahes Fliessgewässer mit eigener Dynamik und grosser Biodiversität werden, so wie sie es einmal war und es auch das eidgenössische Gewässerschutzgesetz (GSchG SR 814.20) und das eidgenössische Wasserbaugesetz (WBG SR 721.100) fordern. Stärker als heute soll der Flussraum ein prägendes, naturnahes Landschaftselement bilden. Ein besonderes Augenmerk wird auf die Auen und auf die Uferbereiche gerichtet, um prioritäre Arten zu fördern. Im Rahmen der Korrektionsprojekte werden Zielarten in Anlehnung an das Landschaftsentwicklungskonzept (aktuelle Version) definiert.

11 Die Thur bleibt für eine verträgliche Erholungs- und Freizeitnutzung durch die Bevölkerung zugänglich.

Erläuterung:

An ausgewählten Orten werden Zugänge für die Bevölkerung zur Thur geschaffen. Bestehende Infrastrukturen (Wander- und Velowege, Spielplätze) werden bei der Ausarbeitung von Projekten berücksichtigt. Im Rahmen einer strategischen Planung soll die Besucherlenkung vertieft werden.

12 Die bestehenden nationalen Auenschutzgebiete entlang der Thur werden an das dynamische Flusssystem angebunden.

Erläuterung:

Die bestehenden Auenwälder sollen aufgewertet werden. Heute sind die nationalen Auenschutzgebiete wegen der bestehenden Hochwasserschutzdämmen oder durch Uferverbauungen von der Dynamik der Thur abgeschnitten: Wichtige ökologische Prozesse können so nicht mehr stattfinden. Die Auen brauchen die Kraft des Wassers und periodische Zerstörungen durch Hochwasser, um sich entfalten zu können. Typische Auenarten gedeihen nur, wenn ständig neue Pionierflächen entstehen. Im Sinne einer ökologischen Verbesserung ist deshalb im Konzept Thur+ vorgesehen, die nationalen Auenschutzgebiete an die Dynamik der Thur anzubinden. Die Ziele für die Entwicklungsräume Auenschutzgebiete ergeben sich aus der bestehenden Auenschutzverordnung und den kantonalen Schutzanordnungen.

13 Korrektionsprojekte werden unter frühzeitigem Einbezug der betroffenen Kreise ausgearbeitet.

Erläuterung:

Um eine breite Akzeptanz zu erreichen, sind die Korrektionsprojekte unter frühzeitiger Mitwirkung der Betroffenen (Grundeigentümer, Bewirtschafter, Gemeinden, Interessenvertreter etc.) auszuarbeiten. Das Konzept Thur+ sieht einen Entwicklungsprozess Ländlicher Raum (ELR) vor. Mit diesem können die landwirtschaftlichen Bedürfnisse deutlich gemacht und den übrigen Ansprüchen im Planungsprozess gegenübergestellt werden. Dank der frühzeitigen Integration aller Akteure sollen einvernehmliche Lösungen bei unterschiedlichsten Themen (Güterwege, Bewässerungsanlagen, Ökonomiegebäude, Agrotourismus usw.) erarbeitet werden.

14 Korrektionsprojekte orientieren sich am Plan «Gewässerentwicklungsplan 1: 15’000».

Erläuterung:

Der Gewässerentwicklungsplan zeigt auf, wie die vorstehenden Festlegungen mittels wasserbaulicher Massnahmen in die Korrektionsprojekte einfliessen sollen.

15 Die Umsetzung erfolgt etappenweise über einen Zeitraum von rund 30 Jahren.

Erläuterung:

Es besteht die Absicht, die notwendigen Massnahmen zur Sicherstellung der gesetzeskonformen Hochwassersicherheit und zur Revitalisierung der Thur innerhalb von rund 30 Jahren umzusetzen.

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